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Der Ernährungsstatus eines Menschen ist zeitgleich Basis und Indikator für seine Gesundheit. Er wird einerseits durch die Ernährung (Art und Menge der aufgenommenen Lebensmittel bzw. Nährstoffe) und andererseits durch den persönlichen Bedarf an Energie und Nährstoffen bemessen. Wenn die Energie- und Nährstoffzufuhr dem Bedarf nicht gerecht wird, entstehen Defizite und es kann in weiterer Folge zu Mangelernährung kommen.1
Doch wie definiert sich Mangelernährung? In der wissenschaftlichen Fachliteratur werden Begriffe, wie Mangelernährung, Malnutrition oder Fehlernährung oft synonym verwendet. Andererseits finden sich auch unterschiedliche Interpretationen dieser Begriffe.
Die Definition für den Begriff Mangelernährung ist nach wie vor nicht einheitlich. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) definiert Mangelernährung in ihrem Klinikleitfaden als einen „Zustand, der aus einer mangelnden Zufuhr oder Aufnahme von Energie und Nährstoffen über die Nahrung entsteht, zu einer veränderten Körperzusammensetzung führt und mit messbaren Veränderungen körperlicher und mentaler Funktionen verbunden ist. Als Folge verschlechtern sich die Prognose und der klinische Krankheitsverlauf.“2 Zu den möglichen Ursachen für Mangelernährung zählen die Folgen von Krankheit, Hunger oder fortgeschrittenem Alter, allein aber auch in Kombination.3
Die krankheitsspezifische Mangelernährung (DRM) definiert sich durch folgende 3 unabhängige Kriterien:
- Trinknahrung nicht auf einmal trinken, sondern in kleinen Portionen
- Hohe Abwechslung schaffen (verschiedene Geschmacksrichtungen und Konsistenzen)
- Neues ausprobieren: Lassen Sie sich immer mal wieder inspirieren, was Ihnen Lust macht
- Normale Speisen zusätzlich anreichern mit Trinknahrung, speziellen Nährstoffpulvern oder auch mal mit Sahne/Creme fraiche, Nüssen/Nussmus, Trockenfrüchten oder pflanzlichen Ölen
- Keine kalorienreduzierten Lebensmittel wählen, sondern die fettreichen Produkte wie Käse mit hoher Fettstufe, griechischer Joghurt, Sahnequark
- Unverträgliche Speisen weglassen
- Appetit anregen mit Säften, bitterstoffhaltigen Tees, Getränken, Gewürzen und Salaten (Achtung: Verträglichkeit mit kleinen Portionen testen)
- Testen Sie persönlich aus, was Ihnen guttut und auf was Sie Appetit haben
- Viele kleine statt wenige große Mahlzeiten
- Es gibt kein Richtig oder Falsch: auch eine Gemüsesuppe zum Frühstück oder ein Snack während der Nacht kann schmecken, wenn Sie Appetit darauf haben
- Auch Getränke können energiereich sein (Shakes, Smoothies, Kakao)
- Schaffen Sie eine angenehme Ess-Umgebung und richten Sie Ihre Speisen appetitlich an
Für Erwachsene ab 65 Jahren werden andere Kriterien für BMI und Gewichtsverlust diskutiert (BMI < 20 kg/m2, Gewichtsverlust > 5 % in 3 Monaten).
Quantitative oder qualitative Mangelernährung und ihre Unterschiede
In Fachkreisen wird zwischen einer quantitativen und einer qualitativen Form der Mangelernährung unterschieden, da sie sowohl die Qualität als auch die Quantität der Nahrung betreffen kann. Je nach Kategorie zeigen sich auch unterschiedliche Symptome einer Mangelernährung.
Eine quantitative Mangelernährung liegt vor, wenn die Energiezufuhr insgesamt geringer ist als der Energiebedarf. Sie wird synonym auch als Unterernährung bezeichnet und führt zu einem Verlust an Körpergewicht und einer Reduzierung der Energiereserven. Falls vorhanden, verbrennt der Körper Speicherfett, um Energie zu gewinnen. Aber auch Muskelmasse kann angegriffen werden, wodurch es zu Muskelabbau kommen kann. Die quantitative Mangelernährung betrifft aber nicht nur die Energieversorgung des Körpers, sondern auch eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen.
Während die Gewichtsabnahme ein deutliches Anzeichen einer quantitativen Mangelernährung ist, zeigt sich ein Mangel an speziellen Nährstoffen wie Eiweiß, Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen auf den ersten Blick weniger offensichtlich.4
Eine qualitative Mangelernährung wird durch eine unzureichende Zufuhr an einzelnen lebenswichtigen Nährstoffen verursacht. Es kann daher sein, dass auch Menschen mit Übergewicht eine qualitative Mangelernährung aufweisen. In vielen Fällen ist diese aber mit einer quantitativen Mangelernährung kombiniert. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung definiert die qualitative Mangelernährung nicht nur mit einem Mangel an Mikronährstoffen. Sie erwähnt explizit auch den Mangel an Eiweiß.5 Das ist für die Geriatrie besonders wichtig, da hier durch kleinere Portionen der Eiweißbedarf oft nicht gedeckt wird.
Quantitative Mangelernährung |
Qualitative Mangelernährung |
Betroffene essen zu wenig, wodurch es zu einer Unterernährung kommt |
Betroffene nehmen quantitativ genug Nahrung zu sich, aber nicht ausgewogen |
Körper benötigt mehr Energie als ihm zugeführt wird |
Körper bekommt zwar ausreichend Energie, aber es mangelt an einzelnen Nährstoffen (wie beispielsweise an Vitaminen, Proteinen, Mengen- oder Spurenelementen) |
Es kommt zu Gewichtsverlust und zum Abbau von Muskelmasse |
Führt meistens nicht zu Gewichtsverlust, kann aber andere unerwünschte Folgen mit sich bringen |
Körper erhält sowohl zu wenig Energie (Gewichtsverlust), als auch zu wenig Nährstoffe (Unterversorgung) |
Menschen mit Übergewicht können unter qualitativer Mangelernährung leiden |
Mangelernährung/Unterernährung und Krankheiten
Mangelernährung bzw. Unterernährung und damit verbundenen Krankheiten beeinflussen die Prognose sowie den Krankheitsverlauf. Für eine gezielte Behandlung bei Mangelernährung wird daher in Abhängigkeit vom gleichzeitigen Vorliegen einer Grunderkrankung die Mangelernährung weiter klassifiziert.
Die European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) unterteilt Mangelernährung aufgrund ihrer Ursache in drei Hauptgruppen:3,6
- die krankheitsspezifische Mangelernährung („disease-related malnutrition“ DRM) mit Entzündungsreaktion
- die krankheitsspezifische Mangelernährung („disease-related malnutrition“ DRM) ohne Entzündungsreaktion
- Mangelernährung ohne Krankheit
Einteilung der Mangelernährung nach Ätiologie gemäß den Leitlinien der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN). DRM „disease-related malnutrition“.
Abbildung 1: Diagnosebaum für Mangelernährung. Von der Basisdefinition der Mangelernährung zu äthiologiebasierten Diagnosen. Modifiziert nach 3 (ESPEN LL). Siehe auch: Definition: Mangelernährung | DGEM.
Krankheitsspezifische Mangelernährung mit Entzündungsreaktion
Die Mangelernährung assoziiert mit Krankheiten und einhergehender Entzündungsreaktion lässt sich wiederum in eine akute sowie eine chronische Form unterteilen, wobei bei die Kachexie hier eine weitere Untergruppe bildet. Als Gemeinsamkeit gilt die inflammatorische Komponente, die über eine metabolische Stressreaktion unter anderem zu Anorexie, Gewichtsverlust sowie Sarkopenie führt.3
Die akute krankheitsspezifische Mangelernährung betrifft meist Patienten auf Intensivstation mit akuten Krankheiten, Trauma (schwere systemische Infektion, Verbrennungen, Schädel-Hirn- oder Polytrauma) oder nach großen operativen Eingriffen, die einen stark ausgeprägten Stressmetabolismus aufweisen.7 Zweck dieser veränderten Stoffwechsellage ist die Sicherung der Energiebereitstellung und die Versorgung des Körpers mit Struktureiweißen. Zur Vermeidung von Mangelernährung müssen Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Auch bei Intensivpatienten ist eine bedarfsgerechte und optimal zusammengesetzte Ernährung ein entscheidender Faktor für Beatmungszeit, Liegedauer, Komplikationsrate und einen günstigen Krankheitsverlauf.8
Eine chronische krankheitsspezifische Mangelernährung tritt häufig im Zusammenhang mit einer milden oder mäßigen chronischen Entzündung auf, wie z.B. bei Organerkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, Leberzirrhose), maligne Erkrankungen (z. B. Pankreaskarzinom) oder chronisch entzündliche Erkrankungen. Entsteht ein erheblicher Gewichtsverlust, der sich durch den Verlust von sowohl Muskel- als auch Fettmasse auszeichnet, spricht man von Kachexie.7 Hier ist es wichtig, dass die Behandlung der Mangelernährung und die Therapie der Grunderkrankung Hand in Hand gehen.
Krankheitsspezifische Mangelernährung ohne Entzündungsreaktion
Hier führen Grunderkrankungen zu einer eingeschränkten Nahrungszufuhr. Eine Verengung der Speiseröhre sowie eine eingeschränkte Funktionalität, beispielsweise nach einem Schlaganfall, bringt häufig eine Schluckstörung (Dysphagie) mit sich. Auch unterschiedliche Magen-Darm-Erkrankungen können zu einer Mangelernährung führen, unter anderem ist hier das Kurzdarmsyndrom zu nennen. Mit dem entfernten Darmabschnitt ist der Körper nicht mehr in der Lage, die notwendige Menge an wichtigen Nährstoffen ausreichend aufzunehmen. Je nach Krankheitsbild muss die Nährstoffauswahl und -zusammensetzung an die Bedingungen angepasst werden. Ist dies nicht zielführend, kann Sondennahrung zum Einsatz kommen.
Mangelernährung / Unterernährung ohne zugrundeliegende Erkrankung
Hauptsächliche Ursache für diese Mangelernährung ist Nahrungsmangel. Sie spielt in westlichen Industrieländern eine untergeordnete Rolle, kann aber beispielsweise bei schlechter Pflege, unzureichendem Zahnstatus, Trauer oder Vernachlässigung vorkommen. Ein wichtiger erster Schritt ist hier die Verbesserung der Rahmenbedingungen.3
Quellen:
- Pirlich M., et al.; DGEM-Leitlinie Enterale Ernährung: Ernährungsstatus; Aktuel Ernaehr Med 2003; 28 Supplement 1: S10-S25
- Ernährung DGf (2018) DGE-Praxiswissen: Mangelernährung in Kliniken Deutsche Gesellschaft für Ernährunge. V., S36
- Cederholm T., et al.; ESPEN guidelines on definitions and terminology of clinical nutrition; Clinical Nutrition 36 (2017) 49e64
- Schutz Y, Stanga Z: Mangelernährung und Bestimmung des Ernährungszustandes. Ernährungsmedizin – Nach dem neuen Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer; Biesalski H.K., Bischof St. C., Puchstein Ch; Thieme 2010; 29:450-466
- Bausch K. et al „Fit im Alter – Gesund essen, besser leben“: DGE-Praxiswissen - Mangelernährung im Alter (2. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck). DGE, Bonn 2014
- Kaegi-Braun N., et al.; Mangelernährung in der Inneren Medizin Screening, Assessment und Bedeutung; Die Innere Medizin 6, 2023; 64:515–524
- Valentini L., et al.; Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) DGEM-Terminologie in der Klinischen Ernährung; Aktuel Ernahrungsmed 2013; 38: 97–111
- Blumenschein B., Smollich M.; Ernährung auf Intensiv - Wichtiger Baustein in der Therapie kritisch Kranker; DAZ 2015, Nr. 25, S. 58