MANGELERNÄHRUNG - ANZEICHEN

Mangelernährung - Anzeichen

Mangelernährung kann in jedem Lebensalter auftreten. Bei genauerer Betrachtung sind die Ursachen einer Mangelernährung jedoch hauptsächlich bei erkrankten und/oder betagten Menschen zu finden. So zeigen Studien an Senioren, dass betagte Menschen oftmals weniger Kalorien aufnehmen als für die Aufrechterhaltung des Grundumsatzes erforderlich ist. Als Folge werden Körperreserven angezapft. Das betrifft in erster Linie Fettdepots, aber auch Körperproteine (vor allem der Bewegungsmuskulatur) und Vitaminspeicher.1


Die Anzeichen einer Mangelernährung haben oftmals große Ähnlichkeit mit allgemeinen Alterserscheinungen und sind daher nicht immer leicht zu erkennen. Angesichts der möglichen Folgen sollte dennoch ganz bewusst auf eine Mangelernährung und ihre Anzeichen geachtet werden.


Unzureichendes Trinken, mangelnder Appetit, Zurückweisen von Mahlzeiten und eine einseitige Lebensmittelauswahl zählen dabei zu den Ursachen einer Mangelernährung. Erste Anzeichen für eine bestehende Mangelernährung sind beispielsweise körperliche Schwäche, Antriebslosigkeit, Schwindel sowie Mundtrockenheit und Verstopfung. Der rasche und ungewollte Gewichtsverlust hingegen ist ein Alarmsignal für eine Mangelernährung. Außerdem können erfahrene Ärzte bei der Erhebung des Ernährungszustandes im klinischen Bereich eine Mangelernährung und ihre Anzeichen anhand von folgenden einfachen Merkmalen erkennen:1

  • vermindertes Unterhautfettgewebe
  • schlaffe Hautfalten an Rücken, Bauch und Armen
  • dünne Oberarme und Beine
  • hervorstehende Rippen- und Schulterknochen
  • Atrophie der kleinen Hand- und Kaumuskulatur als typische Zeichen einer Eiweißkatabolie

Zusätzlich steigt mit einem zunehmenden Makronährstoffmangel auch das Risiko für einen Mikronährstoffmangel. Klinische Symptome einer Mangelernährung in Bezug auf Mikronährstoffe können im Bereich der Haut und Hautanhangsgebilde, der Schleimhäute, der Augen oder des Nervensystems auftreten.1


Ziel ist es, Patienten mit einem Risiko für Mangelernährung möglichst frühzeitig zu erkennen und eine entsprechende Intervention einzuleiten, um schwerwiegende Folgen einer Mangelernährung zu vermeiden.


Nach den Leitlinien der DGEM soll die Erfassung des Ernährungszustandes Bestandteil jeder medizinischen Untersuchung sein. Jedoch fehlt ein allgemein gültiger Goldstandard, der alle Aspekte der Mangelernährung gleichermaßen erfasst. Deshalb werden unterschiedliche Methoden eingesetzt, um Patienten mit einem Risiko für eine Mangelernährung mittels Test rechtzeitig zu erkennen und eine adäquate Therapie bei Mangelernährung durchzuführen.2

Mangelernährung – Test: Gewichtsassoziierte Größen

Zur groben Einschätzung des Ernährungszustandes wird vielfach der Body Mass Index (BMI) verwendet, dessen Aussagekraft aber zur Diagnose einer krankheitsbedingten Mangelernährung in einer tendenziell übergewichtigen Gesellschaft gering ist. Leitsymptom der krankheitsassoziierten Mangelernährung ist vielmehr der signifikante Gewichtsverlust. Dieses Kriterium ist auch wesentlicher Bestandteil aller etablierten Scores zum Screening oder Assessment von Mangelernährung.


Generell lassen sich Körpergewicht und Körpergröße einfach und ohne großen apparativen Aufwand messen. Daraus lässt sich dann der BMI berechnen (BMI = Körpergewicht [kg] / Körpergröße ² [m²]).


Von der WHO wurde ein BMI von 18,5 kg/m² als Grenzwert für eine Unterernährung festgelegt. Die DGEM (Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin) empfiehlt für ältere Menschen einen höheren Grenzwert von 20 kg/m². Da sich eine Mangelernährung bei Übergewichtigen und bei Patienten mit Hydratationsstörungen (Ödeme, Aszites) nicht sicher ausschließen lässt, sollten Körpergewicht und BMI nie als einzige Parameter zur Beurteilung des Ernährungszustandes verwendet werden.2


Im Hinblick auf Gesundheitsrisiken hat vor allem der unbeabsichtigte Gewichtsverlust hohe prognostische Relevanz. Krankheitsübergreifend besteht folgende Übereinstimmung: Bei jüngeren Erwachsenen gilt ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust von ˃ 5% in drei Monaten oder ˃ 10% in sechs Monaten als signifikant und steht mit einem ungünstigeren klinischen Verlauf in Verbindung.3 Bei älteren Menschen sollte jeder auffällige Gewichtsverlust ernst genommen und abgeklärt werden.4

Mangelernährung-Anzeichen: Übersicht4,5

Gewichtsabnahme
  • ˃ 5% des Körpergewichts in 3 Monaten
  • ˃ 10% des Körpergewichts in 6 Monaten
  • jeder auffällige Gewichtsverlust für über 65-Jährige
Geringes Körpergewicht
  • BMI ˂ 20 kg/m2 für über 65-Jährige
Ernährungsprobleme
  • Appetitmangel
  • geringe Nahrungsaufnahme
  • einseitige Lebensmittelauswahl
  • notwendige Hilfe bei Nahrungsaufnahme, -zubereitung

Mangelernährung – Test: Screening auf Mangelernährung

Für eine adäquate Untersuchung aller Patienten und um das Risiko einer Mangelernährung mittels Test zu erheben, bedarf es einer prozesshaften und standardisierten Vorgehensweise, die Folgendes umfasst:

  • Screening auf Mangelernährung
  • ggf. ein auf dem Screening basierendes Assessment
  • Durchführung individueller Maßnahmen
  • Monitoring zur Überprüfung der Wirksamkeit

Für die Erfassung der Ernährungssituation und die Risikoeinschätzung sind verschiedene Screening- und Assessment-Instrumente entwickelt worden und in der Praxis im Einsatz. Screening und Assessment sollten gerade in der Pflege praktikabel und nicht zu zeitaufwendig sein. Außerdem sollten sie kostengünstig und standardisiert sein.

Unter einem Screening auf Mangelernährung versteht man eine Reihenuntersuchung, die mittels schneller und einfacher Methodik bei allen Personen zum Zeitpunkt des Arztbesuches oder der Krankenhausaufnahme durchgeführt werden kann. Dadurch sollen Patienten mit einem ernährungsbedingten Risiko oder bereits vorliegender Mangelernährung identifiziert und frühzeitig einer gezielten Maßnahme zugeführt werden.


Sollte sich bei dem Screening ein Risiko oder bereits ein Anzeichen einer Mangelernährung ergeben, müssen weitere Untersuchungen folgen. Das tiefergehende Assessment ist die umfassende Analyse von Ernährungsproblemen. Das Ergebnis des Assessments dient als Grundlage für die Durchführung jeder Ernährungsintervention und damit zur Entwicklung eines detaillierten Ernährungsplans.

Mangelernährung – Test: Screening auf Mangelernährung

Somit ist es das Ziel eines Screenings, Risiken zu erkennen, jedoch braucht es zur Maßnahmenplanung bei Vorliegen eines Risikos eine differenziertere Einschätzung, das Assessment.


Die Häufigkeit, mit der Screenings durchzuführen sind, ist individuell festzulegen und kann in Abhängigkeit vom Zustand des Patienten variieren. Bei Risiken oder einer Mangelernährung wird im Expertenstandard empfohlen, das Screening regelmäßig durchzuführen. In der folgenden Abbildung wird der Algorithmus zur Qualitätssicherung der Ernährungsversorgung älterer Menschen dargestellt.6,7

Übersicht Mangelernährung Anzeichen white background

Abbildung 1: Algorithmus zur Qualitätssicherung der Ernährungsversorgung älterer Menschen (modifiziert nach Volkert D. Practical guideline for nutritional care in geriatric institutions. Z Gerontol Geriatr 2009; 42: 77-87)

Screening auf Mangelernährung: Screening -Tools

In den letzten 30 Jahren wurden zahlreiche Screening Tools für die Diagnostik einer Mangelernährung bzw. des ernährungsbedingten Risikos entwickelt. Doch wann sollen welche Fragebögen für das Screening des Ernährungszustandes benutzt werden? Es stehen verschiedene Bögen für Krankenhäuser, den ambulanten Bereich oder speziell für geriatrische Patienten zur Verfügung. Hiermit können nicht nur bestehende Mangelernährungszustände erkannt, sondern auch gefährdete Personen frühzeitig identifiziert werden.

Folgende Instrumente werden nach den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Klinische Ernährung und Stoffwechsel (ESPEN) für das Screening empfohlen:8

  • Mini Nutritional Assessment (MNA®)
  • Malnutrition Universal Screening Tool (MUST)
  • Nutritional Risk Screening (NRS-2002)

Das MNA-SF (short-form) Screening ist ein einfacher Screening-Bogen für geriatrische Patienten. Er kann in der häuslichen Pflege genauso angewendet werden, wie im Krankenhaus oder Pflegeheim. Es ist das einzige für ältere Menschen entwickelte und validierte Screeninginstrument. Dieses berücksichtigt neben den üblichen Standard-Screeningparametern (BMI, Gewichtsverlust, reduzierte Essmenge, akute Krankheit) zwei wichtige Risikofaktoren für Mangelernährung bei älteren Menschen: Immobilität und psychische Probleme.6 Das MUST-Screening wurde ursprünglich von der ESPEN für ambulante Patienten mit Verdacht auf Mangelernährung empfohlen, wird jedoch mittlerweile auch wie das NRS (Nutritional Risk Screening) und das SGA im stationären Bereich eingesetzt.


Zusätzlich ist das SGA (Subjective Global Assessment) eine einfache, reproduzierbare bed-side Methode zur Einschätzung des Ernährungszustandes bei ambulanten oder stationären Patienten. Es lässt sich ohne apparativen Aufwand oder medizinisches Personal durchführen. Auf Grundlage von Anamnese (Gewichtsveränderung, Nahrungszufuhr, gastrointestinale Symptome, Leistungsfähigkeit, Grunderkrankung) und klinischer Untersuchung (Unterhautfettgewebe, Muskelmasse, Ödeme) schätzt der Untersucher den Ernährungszustand des Patienten ein.

Screening und Assessment: Übersicht empfohlener Instrumente5,8

Screening Mini Nutritional Assessment (MNA short-form)

Einsatz: Klinik/ ambulant (Geriatrie)

  • ESPEN- Empfehlung
  • Kurzform als Screening („Vor-Anamnese“) mit 6 Fragen
  • einziges für ältere Menschen validiertes Screening
Malnutrition Universal Screening Tool (MUST)

Einsatz: ambulant/ Klinik, Heim- Senioreneinrichtungen

  • ESPEN- Empfehlung
  • Aufbau aus 3 Fragen
  • gibt Handlungsempfehlungen
Nutritional Risk Screenig (NRS 2002)

Einsatz: Klinik

  • ESPEN-Empfehlung für Krankenhaus und mit Einschränkung für Pflegeheimbereich
  • Konzeption: nicht primär für Senioren
  • Aufbau aus Vor- (4 Fragen) und Hauptscreening (8 Fragen)
  • gibt Handlungsempfehlungen
Assessment Mini Nutritional Assessment (MNA long-form)

Einsatz: Klinik/ ambulant (Geriatrie)

  • ESPEN- Empfehlung
  • Langform als Komplettassessment mit 18 Fragen
  • einziges für ältere Menschen validiertes Screening
Subjective Global Assessment (SGA)

Einsatz: Klinik/ ambulant

  • Konzeption: nicht primär für Senioren
  • Aufbau aus Anamnese (5 Fragen) und zusätzlicher körperlicher Untersuchung
  • Erfahrung und Routine des Untersuchers für korrekte Untersuchung und subjektive Bewertung erforderlich

Nutzen Sie unsere Screening-Tools um das Risiko einer Mangelernährung zu ermitteln

NRS 2002

Ermitteln Sie das Ernährungsrisiko mithilfe des Nutritional Risk Screenings (2002).

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PEMU-Assessment: Pflegerische Erfassung von Mangelernährung und deren Ursachen

Zum Erkennen von Ernährungsproblemen in der stationären Pflege wurde, federführend von Pflegewissenschaftlern, das Instrument PEMU entwickelt. PEMU ist ein zweiphasiges Erfassungsinstrument der Ernährungssituation bei alten und pflegebedürftigen Menschen (Screening und Assessment) und wurde für die stationäre Langzeit-/Altenpflege entwickelt. Im PEMU-Screening werden mittels vier zu erfassender Parameter ermittelt, ob ein Ernährungsproblem vorliegt:


  • Zeichen von Nahrungs-/Flüssigkeitsmangel (äußerer Eindruck, Gewichtsverlust, BMI)
  • unbeabsichtigter Gewichtsverlust
  • geringe Ess-/Trinkmenge
  • erhöhter Bedarf an Energie und Nährstoffen

Muss eine der Fragen mit einem „Ja“ beantwortet werden, erfolgt im zweiten Schritt ein PEMU-Assessment. Dabei wird ermittelt, was die Ursache für das Ernährungsproblem sein könnte. Das PEMU-Screening und Assessment wird inzwischen häufig in der Praxis angewendet und als praxistauglich eingestuft. Die Bestätigung der Effektivität durch wissenschaftliche Studien ist noch ausständig.


Das PEMU-Screening und Assessment wurde im Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ des DNQP (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege) empfohlen.

Screening auf Mangelernährung: Fazit

Trotz der einfachen Anwendung zeigen Studien, dass ein Screening auf Mangelernährung häufig nicht durchgeführt wird. Aus den Ergebnissen der nutritionDay-Studie beispielsweise weiß man, dass in Deutschland nur 29 Prozent der Stationen ein Screening durchführen. Dem gegenüber wird mehr als doppelt so häufig in den skandinavischen Ländern (67 Prozent) oder Großbritannien (über 90 Prozent) gescreent.5


Die genaue Abklärung eines Ernährungsproblems mit einem Screening auf Mangelernährung ist allerdings die Voraussetzung für eine individuelle und gezielte Behandlung. Häufig ist zusätzlich zum Screening auf Mangelernährung eine differenzierte medizinische Diagnostik notwendig, um die Mangelernährung näher zu charakterisieren und mögliche Ursachen festzustellen. Idealerweise erfolgt das Assessment in einem multidisziplinären Ernährungsteam. Alle erfassten Parameter sollten dokumentiert werden und dienen als Grundlage für die Erstellung eines Ernährungsplanes. Idealerweise werden diese Parameter im Zeitverlauf überwacht und bei Bedarf in regelmäßigen Zeitabständen die Ernährungsversorgung angepasst.

Quellen

  1. Löser Ch.; Unter- und Mangelernährung Klinik - moderne Therapiestrategien – Budgetrelevanz; Georg Thieme Verlag KG; 1. Auflage 2011
  2. Tannen A., Schütz T.; Mangelernährung: Problemerkennung und pflegerische Versorgung; W. Kohlhammer GmbH; 1. Edition 2011
  3. Pirlich M et al. (2003) DGEM-Leitlinie Enterale Ernährung: Ernährungsstatus. Aktuel Ernaehr Med 28, Supplement 1: S10–S25
  4. Bauer J, et al.; Diagnostik der Mangelernährung des älteren Menschen. Ergebnisse eines internationalen Experten-Meetings der BANSS-Stiftung. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 223–227
  5. Küpper C.; Mangelernährung im Alter Teil 1: Definition, Verbreitung und Diagnose; Ernährungs Umschau 2010; 4
  6. Volkert D. et al.: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG: Klinische Ernährung in der Geriatrie – Teil des laufenden S3-Leitlinienprojekts Klinische Ernährung. Aktuelle Ernährungsmedizin 38, 2013: e1-e48
  7. Valentini L., et. al.; Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) DGEM-Terminologie in der Klinischen Ernährung; Aktuel Ernahrungsmed 2013; 38: 97–111
  8. Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. Screening auf Mangelernährung - den Ernährungszustand richtig einschätzen; https://www.dgem.de/screening; abgerufen am 03.04.2024
  9. Bartholomeyczik S., Reuther S.; Prävalenz von Mangelernährung in der stationären Altenpflege, Maßnahmen und Qualitätsinstrumente; 2009